Autobiographie |
12. 1. 1870 in Rousínov bei Rakovník - 25. 9. 1924 in Senomaty in der Heimatgemeinde In der Welt bekannt als Carl (Karl) Burrian Leipzig war damals die Musikmetropole Deutschlands, noch ohne die Konkurrenz, die ihm später in Berlin erwuchs. Zum musikalischen Zentrum machten es in erster Linie seine zahlreichen Verlagshäuser von teilweise großer, ja weltweiter Bedeutung; die Gewandthaus-Konzerte, geleitet nur von den hervorragendsten Künstlern der Zeit, verliehen ihm besonderen Ruhm; die Stadttheater unter der Leitung von Max Staegemann hatten seit langem ihren großartigen Ruf inne, den sie bis heute nicht verloren haben, obwohl von künstlerischem "Rang" keine Rede mehr sein kann. Als ich mich Direktor Staegemann vorstellte, fühlte ich sofort, daß ich ihm persönlich nicht zusagte. Es war ja kein Wunder. Ich war damals 22 Jahre alt, ein schmächtiger Hering mit eingefallenen Wangen, mit 70 cm Brustumfang und einer Taille, wie sie sich so manches Leipziger Fräulein nur wünschen konnte. Eher ein Studentlein als ein Tenore amoroso oder gar eroico. Und ich sang zum ersten Mal den Turridu in der neuen und erfolgreichen „Cavalleria“, an der damals kein Weg vorbei führte. Neben mir stand die Doxat mit ihrem gewaltigen Organ und der alte Schelper als römischer Gladiator. Was ich empfand, ist schwer zu beschreiben; so etwas muß man fühlen und vor allem selbst durchmachen... Es gab einen Erfolg, aber durchaus keinen uneingeschränkten. Sämtliche Kritik – ich habe sie alle aufgehoben – war sich in dem Sinne einig, daß sich hier ein außergewöhnliches Talent zeigte, ein romanisches Temperament, eine musikalische Begabung, aber konturlos, unausgegoren, noch in der Entfaltung begriffen. Professor Brandes, heute an der Leipziger Universität, riet allem "aber" zum Trotz zu einem sofortigen Engagement und sagte voraus, daß "von diesem jungen Mann in baldiger Zukunft noch zu hören sein wird". Prof. Brandes denkt, Direktor Staegemann lenkt. "Sehen sie, Herr Burian", sprach Staegemann, wobei er für sein Organ die passende Resonanz à la Possart suchte, "mit uns beiden wäre das keine glückliche Ehe... ...Ihnen ist vielleicht bekannt, wer ich bin; sie haben doch wohl vom Bariton Staegemann gehört? (Ich bejahte.) Lassen sie sich das eine Garantie sein dafür, daß hier ein Fachmann im wahrsten Sinne des Wortes (oder des Tones) zu ihnen spricht, der es für seine Pflicht ansieht, junge Talente auf den rechten Pfad zu leiten, indem er ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht. Ihre Stimme also! Das ist ein echtes, unverfälschtes Wiener Operettenstimmchen, von schönem Klang, wie ein Silberfaden, ein Stimmchen, mit dem ihnen bei entsprechender Führung und Weiterentwicklung eine wunderbare Karriere in der Operette sicher ist, zu der sie außerdem ihre kleine, flinke Gestalt und ihr ganz bestimmt nicht klassisches Gesicht prädestiniert, von der Nase ganz zu schweigen... ...Aus ihnen wird niemals, niemals, sage ich, ein dramatischer Tenor, auf sie warten "Zigeunerbarone", aber nie und nimmer "Lohengrine"... Und ich ging hinaus und weinte bitterlich... Zehn Jahre später gefiel es dem Herrgott, daß ich der erste Heldentenor an der Dresdner Königlichen Oper war, von der selbst Staegemann nicht zu behaupten wagte, daß sie nicht erstrangig sei, oder daß sie nicht hochkarätige Künstler beschäftige. Und da kommt eines Tages eine Depesche aus Leipzig: "Könnten Sie morgen in Leipzig als Siegfried einspringen, bin in Verlegenheit, Honorar 600 Mark? Staegemann" "Bedaure, mein Honorar beträgt 1200 Mark pro Abend. Burian" Und ich ging hinaus und fühlte mich blendend!... Senomaty, 29. März 1911, Foto: Otto Schelper als Telramund (Lohengrin, oben) und Max Staegemann. | |
Literatur: Burian K.: Pamìti (Smetana, Praha, roèníky 1911 - 1912); Hradèanský J. V.: Komorní pìvec Karel Burian ve svých veršovaných dopisech (Graf. ústav L. Beneše, Èeský Brod, 193?); Hradèanský J. V.: Komorní pìvec Karel Burian ve svých veršovaných dopisech (Fr. A. Urbánek a synové, Praha, 1933); Burian E. F.: Karel Burian (Praha 1948); Novotný A.: Pìvecký portrét (Supraphon, Praha 1974); Wenig J.: Ema Destinová - Karel Burian (Supraphon, Praha, 1960); Nejedlý Z.: Dìjiny opery Národního divadla I.-II. (Praha, 1949); Rektorys A.: Naši operní pìvci, (Praha 1958); Èerný J.: Osmý den (Reflex, Praha, 6. 3. 2003)
Realisation: Boris Klepal, Übersetzung: Iris Kneissel |